Wie heißt das?
Du hast einen Begriff gehört und kannst damit nichts anfangen?
aus Häselrieth
Jedes Dorf hat seine eigenen Kirmes-Traditionen. Zum besseren Verständnis unserer Bräuche erklären wir in unserem Kirmes-Lexikon typische Häselriether Kirmes-Begriffe.
(teilweise nach Zeitzeugenüberlieferungen)
Einmarsch
(bis 1970 „Polonaise“) Vor den drei Touren läuft der Kirmeszug mit Musik in das Zelt ein. Es folgen mehrere Elemente wie die Brücke, Kreuzlauf, Einhenkeln, usw.
Extratour
Bedeutet so viel wie „Sonderanspruch, Sonderrecht“ (Quelle); zu Ehren der Gäste, die in diesem Moment mit einem Kirmesburschen oder einem Kirmesmädle tanzen; während eines Liedes wird die Extratour durch die Band angesagt; alle anderen Gäste bleiben stehen und klatschen. Bis 1976 wurden die Extratouren durch den 1. Plotzer namentlich benannt z.B.: „Extratour für Müllermeister Trier/Bäcker Grosch/Lehrer/Pfarrer/Bürgermeister“.
Gießer
(gesprochen „Gissa“) Die Gießkanne symbolisiert, dass die Kirmesgesellschaft stets mit genügend Bier versorgt ist. Bis 1976 war sie auch tatsächlich mit Bier gefüllt. Der Gießer ist seit 1946 bei jeder Kirmes dabei und Eigentum einer Häselriether Familie. Er wird jährlich mit „Plangesellschaft 20XX“ und „§ 11“ neu beschriftet.
Gießerträger
(gesprochen „Gissadrächa“) Er trägt den Gießer und läuft zusammen mit dem Kassenträger (seit 2005) zwischen den Spießträgern und den Kirmespärchen. Bis 1976 gab es meistens zwei Gießerträger, wobei der eine den Gießer und der andere den Krug trug. Beide waren dafür zuständig, das Geld bei den Ständle einzusammeln.
Kassenträger
(gesprochen „Kassndrächa“) Der Kassenträger wurde offiziell erst 2005 eingeführt. Er trägt die Kasse und den Bierkrug und läuft zusammen mit dem Gießerträger zwischen den Spießträgern und den Kirmespärchen. Heute ist er allein dafür zuständig, das Geld bei den Ständle und Extratouren einzukassieren. Bis 1976 war der Kassenträger im Kirmeszug optisch nicht erkennbar. Es war lediglich ein Kirmesplotzer, der die Aufgabe hatte, das Geld zu verwalten.
Kirmesgesellschaft
Alle Pärchen einschließlich der Spießträger, des Gießerträgers und des Kassenträgers nennt man „Kirmesgesellschaft“.
Kirmespredigt
Die Peinlichkeiten aus dem letzten Jahr werden anonym in witzigen Reimen vorgetragen. Der eigens dafür engagierte „Kirmespfarrer“ – ein Laie – trägt die Pointen am Sonntagabend in Mundart vor. Er kommt nicht immer im typischen Gewand, sondern auch mal in witzigen Kostümen. Erkennt man sich in einer Geschichte wieder, so gibt es in Häselrieth einen besonderen Brauch. Man kann sich während der Predigt zu seinem Schlamassel bekennen, indem man zur Bar geht und der Kirmesgesellschaft einen kleinen Obolus bestellt. Die Dorfbewohner wissen jedoch in den meisten Fällen schon vorher, wem das Malheur passiert war. Die Betroffenen sollten Spaß verstehen, denn nicht jede Geschichte entspricht zu 100% der Wahrheit. Die Kirmespredigt ist sehr beliebt. Die lustigen Geschehnisse aus dem Dorfleben des vergangenen Jahres verursachten schon so einige Lachanfälle.
Maibaum
(gesprochen „Mäh/Mähbaam“) Er wird ungefähr eine Woche vor der Kirmes von den Burschen aus dem Wald geholt und in mühseliger Arbeit durch die Kirmesgesellschaft geschält. Geschmückt mit einer langen selbstgebundenen Reißiggirlande und bunten Bändern steht er dann in der Mitte des Mähplans. Dieser Platz befand sich im 19. Jahrhundert auf dem kleinen Dorfplatz, auf dem heute das Backhaus steht. Seit den 50er Jahren stand der Maibaum in der Kirchstraße neben bzw. an der Kastanie. Nach dem Wiederaufleben der Kirmes stand der Maibaum und das Kirmeszelt in den ersten drei Jahren neben dem Sportplatz. Seit 2008 steht der „Mäh“ nun auf dem Feuerwehrgelände. Von 1946 bis zur DDR-Zeit wurden immer zwei Bäume aus dem Wald geholt. Einer wurde geschält und als Maibaum verwendet. Ein dickerer wurde ungeschält verkauft, um die Kirmeskasse aufzubessern.
Männerkirmes
Finden sich keine Kirmespaare zusammen, kann die Kirmes der Jugend abgekauft werden. Die Kirmes wird dann von den Verheirateten durchgeführt. 1961,1962 und 1976 fanden Männerkirmessen statt. Warum eine solche Kirmes in Häselrieth allerdings Männerkirmes genannt wird, ist nicht überliefert. Vielleicht durch das Vorurteil, dass Jungen erst durch eine Heirat zu richtigen Männern wurden.
Oberplotzer/Erster
(gesprochen „Obablotza“/“Ärschda“) Unter den Plotzern wird ein Oberplotzer gewählt. Er trägt eine größere Verantwortung und nimmt wichtige organisatorische Dinge rund um die Kirmes in die Hand. Der Oberplotzer läuft mit seiner Plotzerin im Kirmeszug als erstes Pärchen vorneweg. Am Donnerstag begrüßt er die Gäste mit einem Spruch unter dem Mäh und lädt alle zur Kirmes ein. Seit dem die Kirmes nach der großen Pause wieder veranstaltet wird, ist es in Häselrieth auch möglich, aus den Kirmesmädle eine Oberplotzerin zu wählen.
Paragraph 11/§ 11
„Es existierte auch eine sicher nicht ganz ernst zu nehmende Kirmes-Satzung, von der jedoch nur das zweite Blatt aufzufinden war. Das Original stammte vom 24.10.1948 und wurde durch eine spätere handschriftliche Einfügung des § 11 „Es wird weitergesoffen. Entschuldigungen hiervon werden nur bei Ankauf eines weiteren Fasses Starkbier genehmigt. Verschwinden unter dem Tisch oder sonstiges Umfallen gibt die Berechtigung auf 10 Min. Pause.“ erweitert.“ (Quelle: „Zur Grünen Haselstaude“, Hrsg.: Heimatverein Haselstaude Häselrieth e. V., S. 22)
„(auch § 11) ist der bekannteste und verbreiteteste Paragraph in deutschen Bier-Comments, also den scherzhaften Regelwerken zum gemeinschaftlichen Biergenuss […]. Er lautet traditionell „Es wird fortgesoffen!“, „Es wird weitergesoffen!“.“ (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Paragraph_11)
Plan/Maiplan
(gesprochen „Blon“) Ein Plan (auch „Dorfanger“) ist eine Freifläche oder zentraler Platz bestimmter Dorfformen. Er konnte von allen Bewohnern der Stadt oder des Dorfes genutzt werden. (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Plan und http://de.wikipedia.org/wiki/Anger) Auf diesem Platz stand früher in den meisten Fällen der Maibaum. Da die Kirmes im Laufe der Jahre immer größer wurde, musste der Maiplan (gesprochen „Mähblon“) „ausgelagert“ werden. Er befand sich schon an verschiedenen Stellen im Dorf. Heute liegt er auf dem Feuerwehrgelände.
Planstube/Plotzerstube
(gesprochen „Blonstum“/“Blotzastum“) Private Räumlichkeit, in der sich die Kirmesgesellschaft versammelte. Hier traf man sich über das Jahr zur Vorbereitung und während der Kirmes zum Umziehen oder Ausruhen. Die Planstube war nicht jedes Jahr am gleichen Ort. Heute dient hierzu das Gebäude der Häselriether Feuerwehr. Wahrscheinlich geht dieses Wort eher auf das Verb „planen“ (= vorbereiten) bzw. auf das Wort „Plotzer“ zurück.
Plotzer/in
(gesprochen „Blotza/Blotzare“) Das ist der unverheiratete „Bursche“/das unverheiratete „Mädle“, der/das zur Kirmes als Pärchen (gesprochen „Bärle“) tanzt. Plotzer und Plotzerin müssen in keiner Liebesbeziehung zueinander stehen. Wobei das natürlich erlaubt ist oder sich durch eine Kirmes auch ergeben kann ;-). Sie tragen die typische Häselriether Kirmestracht.
Spießträger
(gesprochen: „Spiesdrächa“) Die Tradition der Spießträger gibt es heute nur noch in Häselrieth. Spießträger gab es zwar früher auch in vielen anderen Dörfern, jedoch blieb dieser Brauch nur bei uns erhalten. Als Spießträger müssen sich jährlich zwei verheiratete Männer zusammenfinden. Sie haben die symbolische Aufgabe, die Kirmesgesellschaft zu beschützen. Dazu laufen Sie im Kirmeszug vor den Kirmespärchen und sind für den „Ernstfall“ mit Spießen ausgestattet. Der einzige wirkliche Einsatz fand um 1959 statt. In dieser Zeit wurde die 110 KV-Stromleitung durch Häselrieth gebaut und in einigen Häselriether Haushalten lebten die Arbeiter dazu (auch „Stromer“ genannt). Zur Kirmes wollten sie Unruhe stiften und die Feierlichkeit stören. Sie setzten sich mit Bier in den Saal der Haselstaude und blockierten ihn damit. Es kam zu einer ernsthaften Auseinandersetzung und Prügelei zwischen Stromern und Blotzern. Doch zum Glück gab es auch damals schon die Spießträger in Häselrieth. Sie jagten die Stromer – mit Unterstützung der ganzen Kirmesgesellschaft – die Treppe hinunter aus dem Haus.
Ständchen
(gesprochen „Ständle“) Aufgrund der Weitläufigkeit unseres Dorfes werden die Ständchen auf zwei Tage aufgeteilt. Sie beginnen bereits in den frühen Morgenstunden und enden um die Mittagszeit. Der Grundgedanke der Ständchen war, die Dorfbewohner zum Kirmestanz am Abend einzuladen. Dazu zogen die Burschen mit der Kapelle von Haus zu Haus. Nach einem Ständchen gab der Hausherr traditionell etwas Geld. Zum Dank gab es für die Dame des Hauses ein Tänzchen. Seit 2005 sind auch die Mädle bei den Ständchen mit dabei. So bekommt nun oft auch der Hausherr zum Dank einen Tanz. An einigen Häusern gibt es eine üppige Verköstigung –für die die Kirmesgesellschaft immer wieder sehr dankbar ist! Während der Ständchen kann man so manchen Leckerbissen und auch den ein oder anderen Schnaps probieren.
Ständle-Tour vor 1976:
Samstag: Ortsausgang Ebenhards – Dorf – Bahnübergang – Gries – Weinberg („alles rechts der Werra“)
Sonntag: Kehrweg – Drosselweg – Bernhardsbach – Schnettersmühle („alles links der Werra“).
Ständle-Tour seit 2005:
Samstag: Ortsausgang Ebenhards – Dorf – Bahnübergang – Mühlrangen – Häselriether Straße (samt Hagebaumarkt) – Asternweg – Gries – Oberer/Unterer Weinberg
Sonntag: Fundgrube – Schnettersmühle – Bernhardsbach – Drosselweg – Kehrweg – Römersbach – Waldstadt
Touren/Pflichttouren/Drei Touren
Tanzprogramm – bestehend aus einem Walzer, einem Rheinländer und einer Polka – das die Kirmesgesellschaft an den Kirmestagen mehrmals zum Besten gibt.