Ablauf (Ende der 60er bis 1976*)
(nach Zeitzeugenüberlieferungen)
* Vor der Einführung der 5-Tage-Woche (1967) waren die Kirmestage um einen Tag nach hinten verschoben, da samstags noch gearbeitet wurde. Ausführlichere Informationen zum früheren Ablauf hält das Buch „Zur Grünen Haselstaude“, Hrsg.: Heimatverein Haselstaude Häselrieth e. V. bereit.
Ende Oktober war die Feldarbeit getan, die Ernte war eingebracht und der Herbst kehrte ein. Nun hatte die Dorfgemeinschaft auch einmal Zeit zum Feiern. Am letzten Sonntag im Oktober war es dann soweit – in Häselrieth war Kirmeszeit. Die Kirmesfeier bestand genau betrachtet aus zwei Tagen: Samstag, der 1. Kirmestag und Sonntag, der zweite Kirmestag. Freitag und Montag wurden etwas kleiner gefeiert.*
Freitag, Vortag
Am Nachmittag wurde durch die Kirmesgesellschaft der Mäh aufgestellt und am Abend „angeblasen“. Dazu lief der Kirmeszug – bestehend aus Kirmesgesellschaft und Kapelle – stillschweigend von der Planstube zum Mäh. Dort versammelten sich dann auch die Gäste. Der Erste sagte ein Sprüchle auf und lud zur diesjährigen Kirmes ein. Anschließend wurde zu den drei Touren geschunkelt. Nach dem „Anblasen“ ging es weiter zur Haselstaude. Dort konnte die Kirmesgesellschaft (unter Ausschluss der Öffentlichkeit) noch eine Generalprobe durchführen. Zwei Mal durften die drei Touren auf dem bereits gewachsten Saalboden geübt werden. Danach saß man gemütlich mit der Kapelle in der Grünen Stube zusammen.
Samstag, 1. Kirmestag
Am Morgen standen ab 8 Uhr die Ständle auf dem Plan. Die Burschen zogen von Haus zu Haus, baten um Geld und probierten den ein oder anderen Schnaps. Zum Dank gab es für die Dame des Hauses ein Tänzchen. Die Ständle-Tour am Samstag führte vom Ortsausgang Ebenhards, durch das Dorf, zum Bahnübergang, zum Gries und den Weinberg hinunter („alles rechts der Werra“). Doch auch die Mädle konnten nicht ausschlafen. Sie halfen der Mutter seit dem Morgen bei der Zubereitung des deftigen Mittagessens mit Klößen und Braten. Gegen 12 Uhr traf der Plotzer – meist in Begleitung eines Musikers – zum Essen bei der Plotzerin ein. Auch für die Übernachtung der auswärtigen Musiker war meist durch das Elternhaus der Plotzerin gesorgt. Um 13 Uhr fand der Kirmesgottesdienst in der Kirche statt. Es folgten um 14 Uhr unterm Mäh die ersten Sprüchle der Burschen. Anschließend zog der Kirmeszug weiter in die Haselstaude. Dort wurde von 15 Uhr bis 18 Uhr beim ersten Kindertanz das Tanzbein geschwungen. Nun rief wieder der Ernst des Lebens. Die Pause von 2 Stunden wurde von vielen Gästen genutzt, um zuhause das Vieh zu füttert, zu Abend zu essen und die Kinder ins Bett zu bringen. Dafür wurde aber von 20 Uhr bis in die Nacht gefeiert. Nach 1970 war der Kirmessamstag einer der beliebtesten Tage im Jahr. Denn es war der einzige Tag, an dem es im Dorf (sehr begrenzt) Bratwürste gab.
Tracht am 1. Kirmestag: weiße Schürze, blaue Bänder und Kränzle
Sonntag, 2. Kirmestag
Der Tag begann wieder um 8 Uhr mit den Ständle der Burschen. Die Route begann an der Wäscherei im Kehrweg. Sie führte über den Kehrweg, zum Drosselweg, zum Bernhardsbach und anschließend zur Schnettersmühle („alles links der Werra“). Plotzer und Musiker stärkten sich um 12 Uhr noch einmal mit einem üppigen Mittagessen im Elternhaus der Plotzerin. Am Sonntag ging es „erst“ um 14 Uhr mit den zweiten Sprüchle der Burschen weiter. Ab 15 Uhr stieg der zweite Kindertanz in der Haselstaude, bei dem die Kirmesgesellschaft bei Spielen und Tänzen natürlich wieder gefordert war. Es folgte die Verschnaufpause zum Erledigen der häuslichen Aufgaben. Anschließend ging es um 20 Uhr mit neuem Schwung auf den Tanz. Am späten Abend gaben die Mädle ihre Spüchle zum Besten. Gleich darauf tanzte die Kirmesgesellschaft wieder die drei Touren. Danach wurde die Kirmespredigt verlesen. Sie beinhaltete lustige, aber anonyme Geschehnisse aus dem Dorfleben des vergangenen Jahres. Bis in die frühen Morgenstunden wurde gefeiert, getanzt und gelacht.
Tracht am 2. Kirmestag: bunte Schürze, rote Bänder und Kränzle
Montag (inoffizieller 3. Kirmestag)
An diesem Tag wurden die Spuren der großen Feierei beseitigt. Die Mädle scheuerten den Saal, die Treppe, den Flur, die Toiletten und brachten die Außenanlage in Ordnung. Die Burschen kümmerten sich um das Dorf und sammelten alle Bäumchen ein. Zum langsamen Ausklingen der Kirmes wurde um die Mittagszeit herum ein Fass Bier in der Wirtsstube angestochen. Mit steigendem Alkoholpegel lief die Kirmesgesellschaft noch einmal (in Alltagskleidung) zum Mäh. Dort wurden dann ohne große Vorbereitung aus dem Stehgreif heraus spaßige Sprüche vorgetragen (die „Montagssprüchle“).